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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 20.03.2013


Antrag auf NPD-Verbot erneut auf der Kippe
Nele Herzog

Die "Nationaldemokratische" Partei Deutschlands darf der Bundesregierung zufolge weiterhin Steuergelder zur Verbreitung rechtsextremer Propaganda missbrauchen. Sie weigert sich, den mittlerweile ...




... zweiten Antrag auf ein Verbot der verfassungswidrigen Partei vor dem Verfassungsgericht mit einzuklagen.

Zweiter Anlauf

Nachdem der erste Verbotsantrag in 2003 nicht ausreichend juristische belastbare Beweise für verfassungsfeindliche Tendenzen vorweisen konnte, da V-Männer des Verfassungsschutzes in den oberen Riegen der Partei mitgemischt hatten, war die Bundesregierung im Zugzwang, als der Bundesrat im Dezember 2012 einen zweiten Anlauf startete. Um dem Antrag eine möglichst breite Basis zu bieten, formulierten also auch Bundestag und –regierung diesbezüglich ihre separaten Initiativen. Der zweite Antrag konnte V-Mann-freie Massen an Beweisen für verfassungswidrige Aktivitäten innerhalb der rechten Partei liefern. Bundesverfassungsrichter Papier, Hassemer und Jentsch wiesen bereits 2005 darauf hin, dass ein neues Verbotsverfahren juristisch möglich und vollziehbar wäre, da im ersten Antrag nicht einmal verhandelt worden war, ob die NPD verfassungswidrig ist, sondern vielmehr eine Prozessentscheidung gegen das Verhalten der damaligen AntragstellerInnen aufgrund besagter unsicherer Quellen zustande gekommen war. Der gescheiterte Verbotsantrag hatte den Rechtsextremen damals Rückenwind gegeben, ihnen geradezu eine Einladung dazu ausgestellt, weiter öffentlich zu agieren.

Die Stimmen gegen ein Verbot

Die Argumente gegen ein NPD-Verbot klangen damals wie heute ähnlich: Mensch dürfe den Rechten kein Forum bieten, indem ihre Existenz öffentlich verhandelt würde, die Partei wäre ohnehin finanziell und strukturell beinahe am Ende und demokratiefeindliches Agieren wäre nicht erkennbar genug, um die im Grundgesetz verankerte Meinungsfreiheit für ein Verbot quasi außer Kraft zu setzen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat in ihrer Geschichte bisher nur zwei Parteien verboten (KPD und Sozialistische Reichspartei, ein Nachfolger der NSDAP), im Grundgesetz steht, dass für diesen Schritt bewiesen werden muss, dass die Partei planvoll die demokratische Grundordnung des Landes beeinträchtigen oder beseitigen wolle. Tatsächlich sind oberste NPD-Köpfe geschickt darin, ihre Äußerungen gerade insofern zu tarnen, dass sie provozieren, aber nicht eindeutig zu entlarven sind, außerdem erreicht die Partei kaum irgendwo in Deutschland mehr als Ein-Prozent-Wahlergebnisse. Vizekanzler Philipp Rösler hatte argumentiert, angemerkt, dass Dummheit sich nicht verbieten lasse, rechtes Gedankengut sich durch ein Verbot nicht ausmerzen ließe und damit ein Veto der FDP gegen die Initiative der Bundesregierung begründet. Obwohl diese Aussagen von SPD, Grünen und CSU heftig kritisiert wurde, ist kaum eine Partei einheitlicher Meinung. was das NPD-Verbot angeht. Der Antrag wird zwar trotzdem gestellt werden, da aber die Bundesregierung nicht geschlossen hinter ihm steht, ist ein positiver Ausgang des Verfahrens äußerst fraglich.

Empörung und Gegenstimmen

Vor allem anti-faschistische und linke Organisationen sind empört über den Rückschritt. Lala Süsskind, die Vorsitzende des Jüdischen Forums für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) verlangte am Dienstag, dass die staatliche Finanzierung der offen rassistischen und antisemitischen NPD so schnell wie möglich beendet werden müsse und dies nur durch ein Verbot geschehen könne. Sie empfindet die von Rösler angebrachten Vorwürfe als "nicht einleuchtend".

Am stärksten gegen die verbotskritischen Stimmen spricht wohl die Tatsache, dass die NSU (Nationalsozialistischer Untergrund)-Mörder, nicht erst auf ein Parteiverbot gewartet hatten, um aus dem Untergrund verfassungsfeindliche, anti-demokratische Gewaltverbrechen zu verüben. Das Onlineblog no-nazi.net schreibt, dass der ehemalige NPD-Funktionär Ralf Wohlleben den NSU unter anderem mit Waffen unterstützt hatte. Auch die Taz deckte in einem Artikel auf, dass der Bundesvorsitzende der NPD Holger Apfel schon 1996 den harten Kern der NSU-Terrorzelle Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Bönhardt im Rahmen einer Nazi-Demonstration zu Gedenken des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß in Worms angeführt hatte. Apfel wetterte bereits ganz offen im ZDF gegen MigrantInnen und ist im Verfassungsschutzbericht des Landes Baden-Württemberg von 1998 mit folgendem Satz verzeichnet:
"Wir von der NPD sind stolz darauf, dass wir alljährlich in den deutschen Verfassungsschutzberichten stehen und als vermeintlich verfassungsfeindlich gegenüber diesem System stehen. Jawohl, wir sind verfassungsfeindlich, wenn es darum geht, dieses System zu bekämpfen." (Quelle: mut-gegen-rechte-gewalt.de)

Wie viel Verfassungsfeindlichkeit die NPD wirklich anbringen kann, zeigt die Affäre rund um Berliner Wahlkampfplakate von 2011. Unter anderem waren vor dem Berliner Holocaust-Mahnmal Plakate mit dem Spitzenkandidaten Udo Voigt auf einem Motorrad nebst dem Spruch "Gas geben!" angebracht worden. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hatte gegen die anti-semitischen Propaganda geklagt, das Berliner Verwaltungsgericht wies die Klage aufgrund nicht eindeutig von der Hand zu weisender Mehrdeutigkeit der Sprüche zurück. Es sei, so die Begründung des Gerichtes, nicht auszuschließen, dass damit nur eine "eher volkstümliche Formulierung" der Beschleunigung politischer Entscheidungen gemeint gewesen wäre. (Quelle: Spiegel)

Rösler hat Recht, wenn er sagt das Dummheit wohl kaum durch ein Verbot bekämpft werden kann. Rassismus und Anti-Semitismus stellen aber weit alarmierendere Tatbestände dar - sie sind neben Dummheit auch durch blinden Hass gekennzeichnet, der zwangsläufig in politisch motivierten Gewaltverbrechen mündet. Theoretisch gesehen finanzieren deutsche StaatsbürgerInnen also mit ihren Steuergeldern die Waffen, mit denen rechtsextreme Kriminelle Menschen verletzen und töten, die Propagandamittel, mit denen rechtsextreme Organisationen auf Schulhöfen, Stadtteilfesten und im Internet um neue Mitglieder buhlen und die Prozesskosten für Verfahren, in denen gerissene rechtsextreme Anwälte regelmäßig alles daran setzen, die Weste der Partei so rein wie möglich zu halten. Das Entziehen der Grundlagen, die ein offizieller Parteistatus der NPD noch sichert, würde also immerhin ein Zeichen gegen diese erschreckenden Verhältnisse setzen, der Partei die Basis entziehen und somit die Voranbringung ihrer menschenfeindlichen, hasserfüllten Belange massiv stören.

Die auf diese Weise eingesparten Steuermittel wären in AussteigerInnenprojekten und anderen Organisationen gegen Rechts besser angelegt. Die Programme des Bundesfamilienministeriums, die diese bisher finanziert hatten, laufen Ende dieses Jahres aus und konkrete Pläne zur Weiterführung sind noch nicht bekannt.

Mehr Infos und eine Presserundschau finden Sie unter: www.politische-bildung.de

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Quellen:

www.no-nazi.net

www.taz.de

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de

www.spiegel.de



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Beitrag vom 20.03.2013

AVIVA-Redaktion